Redebeitrag: Bekämpfung von Sexismus beginnt mit Selbstreflexion

An dieser Stelle möchten wir den Redebeitrag zum Thema Alltagssexismus dokumentieren, der auf der feministischen Demonstration zum Frauenkampftag halten wurde.

Trag doch mal häufiger Röcke oder Kleider, das sieht hübscher aus und freut auch die Kunden.“

Wenn’s bei dir mal nicht mit der Karriere läuft, kannst du ja noch einen reichen Mann heiraten.“

Als Quotenfrau findest du doch immer einen Arbeitsplatz.“

Du musst auch mal wieder richtig durchgevögelt werden – dann bist du entspannter!“

Warum kämpfen Sie so hart wie ein Mann? Haben Sie ein Problem damit, eine Frau zu sein?“

Was ist dein Problem? Hast du etwa deine Tage?“

Komm, setzt dich zu uns, damit wir etwas Hübsches zum Anschauen haben.“

Und wann willst du Kinder bekommen? Ab 30 wird’s ja schon knapp bei euch.“

Das sind Aussagen, die sicher die meisten Frauen schon mal gehört haben. Sie können von Männern, aber genauso von Frauen kommen und zeugen von einer sexistischen Haltung.

Sexistische Einstellungen und Verhaltensweisen behandeln Menschen aufgrund ihres Geschlechts bewusst oder unterbewusst anders oder diskriminieren diese. Die gesetzliche Gleichberechtigung der Geschlechter in Deutschland scheint im Jahr 2019 große Meilensteine erreicht zu haben. Dennoch tauchen sowohl auf struktureller als auch auf sozialer Ebene weiterhin Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen auf. Diese schleichen sich oftmals als subtiler Sexismus durch den Alltag. Der Großteil des alltäglichen Sexismus richtet sich gegen Frauen. Mehrfache Diskriminierung trifft insbesondere Women of Colour oder Frauen mit Behinderung. Dennoch werden vereinzelt auch Männer aufgrund ihrer nonkonformen Erscheinung diskriminiert. Transidente und nichtbinäre Menschen werden aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität bzw. homo-, bi-, pan- und asexuelle Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität verurteilt. Mit sexistischen Diskriminierungen wird das Ziel verfolgt, den patriarchalen Status Quo aufrechtzuerhalten. Es geht dabei um die Überzeugung, dass Männer ihren hohen Status verdienen, und gleichzeitig um die Furcht, diesen Hochstatus an andere zu verlieren. Um diese Überzeugung zu rechtfertigen, entstand über Jahrhunderte ein heteronormatives, binäres Geschlechterbild. Männer werden kompetenzbezogene Attribute wie intelligent, stark und durchsetzungsfähig zugewiesen. Frauen werden mit wärmebezogenen Attributen wie liebevoll, geduldig und entgegenkommend beschrieben. Wenn ein Mensch diesen stereotypisierten Vorstellungen nicht entspricht, wird er oder sie mit Diskriminierung wieder auf seinen bzw. ihren Platz verwiesen. In diesem Sinne sollen Frauen ihre Tüchtigkeit in erster Linie zugunsten der Männer ausüben. Auch für Männer, die mit Anspruch auf Elternzeit ihre Verantwortung in der Fürsorge übernehmen, gibt es nicht immer Verständnis.

Kriegt deine Frau das mit eurem Kind nicht allein hin?“

Von transsidente und nichtbinären Menschen wird erwartet, dass sie sich doch einem Geschlecht zuordnen sollen.

Du warst mal ein Mann und läufst jetzt in Frauenklamotten rum, oder was? “

Homo-, bi- und pansexuelle Menschen werden oft gefragt: „Wer ist denn in eurer Beziehung der Mann und wer die Frau?“

Sexismus richtet sich auch stets massiv gegen Menschen, die auf sexistische Ungerechtigkeit hinweisen und dagegen kämpfen. Fortgesetzte Diskriminierung wird geleugnet im Sinne von Aussagen wie

Diskriminierung von Frauen ist heute kein Problem mehr in Deutschland“.

Gegen vermeintliche Privilegien von Frauen wird Widerstand geleistet:

In den letzten Jahren haben Frauen mehr von der Regierung erhalten als ihnen zusteht“.

Und die Forderungen nach Gleichbehandlung werden abgelehnt:

Feministische Forderungen sind überzogen und nicht alltagstauglich.“

Dabei werden Feminist*innen als „Feminazi“ oder „Kampflesbe“ beleidigt und eine ernsthafte Auseinandersetzung wird umgangen.

Höre ich da aus der letzten Reihe: „Aber so ein Sexist bin ich nicht. Ich liebe Frauen, mache ihnen Komplimente, halte ihnen die Türen auf… Einige meiner besten Freunde sind Frauen!“. Wohlwollende Verhaltensweisen können natürlich schmeichelhaft scheinen. Sie werden aber sexistisch, wenn sie nur für ein Geschlecht gelten und nicht bei dem anderen Geschlecht erwünscht sind. Positive wärmebezogene Zuschreibungen gehen nicht mit kompetenzbezogenen Zuschreibungen einher. Schmeichelt man einer Frau mit dem Attribut „entgegenkommend“, könnte man meinen, dass sie nicht als durchsetzungsfähig betrachtet wird. So wird z.B. ein Mann als willensstark und eine Frau dafür als dickköpfig „bossy“ oder „bitchy“ gesehen, während doch eigentlich beide versuchen, ihren eigenen Bedürfnissen nachzukommen. Viele Frauen genießen die „Ritterlichkeit“, die wohlwollende Sexist*innen ihnen entgegenbringen. Sie fühlen sich geschmeichelt, auch wenn vielleicht mal ein bitterer Beigeschmack dabei sein mag, und nehmen den eigentlichen Sexismus nicht als solchen wahr. Menschen erhalten gern Komplimente, weil sie sich dann darin bestätigt fühlen, wie sie sich selbst sehen möchten. Sie sind so allerdings weniger bereit, aktiv gegen die Ungerechtigkeit vorzugehen. Wohlwollender Sexismus aktiviert Stereotype, anstatt sie zu hinterfragen oder gar abzuschaffen.

Wie gehen wir nun mit Sexismus um?

Kein Mensch kann sich von sexistischen Denkweisen und Haltungen komplett freisprechen, da unser aller Verhalten tief verwurzelten, gesellschaftlich jahrelang anerzogenen Stereotypen unterliegt.

Kein Mensch kann sich davon frei sprechen, dass wir durch unser Verhalten und unsere Aussagen, andere Menschen nicht schon einmal auf sexistische Weise gekränkt und verletzt hätten. Wie sagt man so schön? SHIT HAPPENS.

ABER

lasst uns sowohl unsere aktiven als auch unsere passiven Verhaltensweisen in Frage stellen. Lasst uns die Perspektive wechseln so oft es uns möglich ist und uns fragen: Wie würde ich mich an Stelle der anderen Person fühlen?

Ich nehme Anteil. Ich zeige Mitgefühl. Ich stehe auf – für mich und für andere. Ich biete meine Hilfe an, ohne mich meinem Gegenüber aufzudrängen oder mich mit meiner Ritterlichkeit zu rühmen.

Und wenn ich mein Gegenüber verletzt habe, entschuldige ich mich. Und zwar nicht mit einem bloßen „Sorry, war nicht so gemeint.“ Ich erkläre, wo meine Schwächen liegen. Ich sage dir WAS genau mir leid tut. Und ich frage dich: „Wie kann ich es wieder gut machen?“ oder „Wie kann ich es beim nächsten Mal besser machen?!“ Ich höre zu, wenn du mir Antworten auf diese Fragen gibst. Und ich stehe zu meinen Fehlern und lerne aus ihnen.

Ein kluger Mensch hat einmal gesagt:

Zeigt häufiger an, dass ihr eurem Gewissen verantwortlich seid! Wisst zu wem ihr sprecht. Sprecht in einer Sprache, die Beteiligung anzeigt.“

Umso notwendiger: Lasst uns nicht nur darüber sprechen, was wichtig ist. Lasst es uns tun.

Taten statt Worte. Genoss*innen!

Es gibt kein Putz-Koch-Wasch- oder CARE-Gen, dass mir als Frau innewohnt und mich in besonderem Maße befähigt, anderen den Arsch hinterherzutragen.

Und genauso wenig gibt es ein Arschloch-Gen, das uns versagt, Verantwortung für unser eigenes Verhalten zu übernehmen.

Lasst uns alle Fürsorge zeigen. Für uns selbst. Und für einander.

Deshalb:

CARE TOGETHER. RIGHT NOW.

ALERTA, ALTERA, ANTISEXISTA.