Redebeitrag: Kritische Männlichkeit

An dieser Stelle möchten wir den Redebeitrag zum Thema kritische Männlichkeit dokumentieren, der auf der feministischen Demonstration zum Frauenkampftag halten wurde.

Letztes Jahr betrat ein 40 jähriger Mann in Florida ein Yoga Studio um gezielt Frauen* zu töten, 2 Frauen* starben. Seit 2012 war schon klar, dass er frauenfeindliche Ansichten und Absichten hegt. Auch 2014 tötete ein 22 jähriger Mann in Kalifornien geplant und gezielt Menschen. Frauen*, weil diese ihn abgelehnt hatten und Männer, weil diese sexuell erfolgreicher waren als er selber.

Allgemein wurden 2013 96% aller Tötungsdelikte weltweit von Männern begangen. Woher kommt das? Ohne Frage sind die einzelnen Täter und Männer daran schuld und müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber was liegt dem zu Grunde, dass sie solche Taten überhaupt erst ausführen? Stark, cool, ohne Schwäche, groß, souverän, aber auch heterosexuell, gepaart mit Mut, Risikobereitschaft, Dominanzvermögen, um nur einige der Eigenschaften zu nennen, welche der idealen Männlichkeit zugeschrieben werden. Aber wie viele Männer entsprechen diesem Bild absolut und vollständig? Nur einige wenige, wenn überhaupt. Dennoch wird das tagein tagaus seit Jahrzehnten an Kinder herangetragen, egal ob sie dem überhaupt entsprechen wollen oder nicht, es gehört sich so. Im Alltag und in der Werbung ist dann von ach so echten Männern die Rede um solche Eigenschaften zu verbildlichen, echte Männer, welche aber alles andere als real sind. So entsteht Druck, der Druck dem Idealbild nicht gerecht werden zu können und in der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden, weil man nicht Mann genug sei.

Gleichzeitig waren aber letztes Jahr auch 96% aller Menschen, die einen Arbeitsunfall hatten, auch Männer.

Woraus entsteht denn unser Macker Verhalten, was auch mich als Mann schon reichlich nervt? Woraus entsteht denn unser Verlangen, uns so in den Mittelpunkt positionieren zu müssen, obwohl es vielleicht gerade um Äpfel und Birnen geht? Oder wenn es mal passiert, dass wir vermeintlich mal einen Spruch abkriegen, was Frauen* aber wiederum mehrmals täglich passiert? Wieso haben wir so viel Angst davor, wenn ein 16 jähriges Mädchen auf die Straße geht und sich politisch einsetzt? Wieso halten wir es für notwendig als Antwort auf eine Bewegung von betroffenen Menschen aller Geschlechter einen Hashtag zu kreieren um zu zeigen, dass es auch gute Männer gibt und damit von dem Problem ablenken, welches wir damit nur weiter stärken? Wieso erklären wir Fachbegriffe eher einer Frau* als einem Mann? Wieso haben wir weitaus mehr Empfehlungen, wie eine Frau* sich zu kleiden hat als wie es ein Mann tut? Wieso sagen wir Gebärfähigen beim Thema Waffengewalt sie sollen sich raushalten weil sie keine Ahnung von Waffen hätten, reden aber selber oft genug über Schwangerschaftsabbrüche ohne oftmals zu wissen, wie eine Gebärmutter und Menstruation funktionieren?

Wieso schreiben wir einem Menschen weitaus mehr Kompetenz und ein weitaus höheres Gehalt zu nur weil er John und nicht Jennifer heißt? Wieso sagen wir, dass Frauen* sich einfach nur mehr engagieren und mehr Interesse zeigen sollten, wenn es darum geht, wieso wir so wenige Frauen* im Betrieb haben und ziehen gar nicht erst in Erwägung, dass wir selber vielleicht auch mal eine gewisse Schuld haben könnten?

Wie Sarah Bosetti sagt, Feminismus ist ein Kampf, und Kämpfe sind anstrengend. Oftmals sind sie aber eben notwendig. Es ist verständlich, wenn Feminismus nervt, aber um Feminismus abzuschaffen, gilt es nicht den Feminismus zu bekämpfen, sondern den Sexismus. Genauso gilt, dass wenn Feminismus angeblich zu weit gegangen ist, dann ist es weil Sexismus viel zu weit gegangen ist. Und liebe Männer, welche so oft vom Generalverdacht der Männer sprechen und glauben, wir Feminist*innen denken Männer seien das Problem weil sie Männer seien. Gerade der Feminismus leugnet einen biologischen Determinismus. Ihr müsst nicht bspw. Schwäche verstecken, dominant sein, oder Mut beweisen, nur weil ihr Männer seid, und das ist auch nicht angeboren. Verschiedene Formen der Männlichkeiten, gerade die toxische Männlichkeit, sind Konstrukte, welche erschaffen wurden und ebenso abgeschafft werden können. Und gerade die eben erwähnten Verhaltensmuster und die allgegenwärtige Empörung viele Männer, sobald man sie darauf anspricht, zeigen doch auch, wie fragil diese Konstrukte sind.

Hierzu möchte ich auch diejenigen adressieren, welche immer davon reden, wie Feminist*innen einfach zu viel Zeit haben und lieber andere Dinge machen sollten. Wenn Ihr soviel Zeit habt, dass ihr wirklich jederzeit sowas sagen und schreiben könnt, nehmt doch mal ein gottverdammtes Buch, das wären Dinge, die ihr lieber mal stattdessen machen solltet. Und vielleicht kann man danach auch endlich mal konstruktivere und gehaltvollere Diskussionen führen um gemeinsam etwas besseres zu erschaffen, was Allen gut täte.

Zum Schluss noch an eine ganz bestimmte Männlichkeit, liebe alte, weiße Männer. Und zwar die, die mit manchen provokanten Hashtags tatsächlich mit gemeint sind. Wie Margarete Stokowski es in einem Artikel formuliert, “[d]er weiße mittelalte heterosexuelle Mann kann viele Gründe haben, angepisst zu sein, wenn man ihn so nennt, aber genau darin, in diesem Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, liegt der Funke der Revolution: Wer nämlich einmal verstanden hat, wie unwohl man sich fühlen kann, so auf Gender, Alter, und Sexualität festgelegt zu werden, kann sich überlegen, dass es für andere möglicherweise genauso unangenehm ist. Vielleicht weiß er das längst, das kann sehr gut sein. Wenn nicht, kann er anfangen, dieses Gefühl abzuschaffen, indem er darauf verzichtet, andere auf diese paar Schubladen zu reduzieren, bis sichtbar wird, was jedes Mal dahinter steht und was wir alle sind: ein Mensch.